Der Countdown läuft: Bald treten wir unsere große Reise Richtung Westen an.
Ich verbringe die letzten Tage in Wien eifrig damit, meine Vorarlberger Freunde, die sich bis dato standhaft weigern, jemals einen Umzug ins Ländle in Erwägung zu ziehen, von den offenkundigen Vorteilen Vorarlbergs zu überzeugen.
Dahinter steckt natürlich eine rein egoistische Zielsetzung, schließlich lässt man nicht gerne lieb gewonnene Menschen zurück.
Die Hitzewelle, die in diesen Tagen schonungslos das Land malträtiert, kommt mir da gerade recht. Die Stadt heizt sich innerhalb weniger Tage auf wie ein großer Heizkessel. Das Leben im Betondschungel wird unerträglich.
An Schlaf ist nachts nur noch phasenweise zu denken, und die ohnehin für ihr Granteln bekannten Wiener werden täglich noch grantiger. Alle stöhnen unter der Hitze und, na klar, wer kann, flüchtet aufs Land, wo die Temperaturen erträglich sind.
Während in Wien am Hitzehöhepunkt 38° gemessen werden, versteht man in Vorarlberg bei guten 30° einmal mehr das Geplärr der Wiener nicht. In der U6 drängen sich bei geschätzten 40° zur Rushhour die verschwitzten Körper aneinander, und ich wünsche mir inständig, man möge zumindest während der Hundstage den Öffi-Benutzern den Gebrauch von Deos zwangsweise vorschreiben.
Insbesondere jenen, die sich an den Haltegriffen festhalten und mir ungeniert ihre schweißtriefenden Achselhöhlen unter die Nase halten.
Kaum ist man der U-Bahn-Hölle entronnen, steht einem der nächste olfaktorische Höhepunkt bevor. Hat man sich bei normalen Temperaturen langsam an die Gehweg und Straßenränder säumenden Hundegackerl gewöhnt, gilt bei Hitze höchste „Gackerl-Geruchsbelästigungs-Warnstufe".
Die Gackerl – von den Wienern liebevoll so genannt, obwohl es sich dabei schlichtweg um Scheiße handelt – haben nämlich die ungustiöse Angewohnheit bei erhöhten Temperaturen hemmungslos vor sich hin zu schmelzen und im Zuge dieses Schmelzprozesses einen höchst unerfreulichen Geruch freizusetzen.
Während also in diesen Tagen die höchste Ozonwarnstufe ausgerufen wird und Maßnahmen gegen die zunehmende Feinstaubbelastung überlegt werden, breitet sich über der Stadt auch noch eine Gackerl-Geruchswolke aus, ohne dass behördlicherseits etwas dagegen unternommen wird.
Die Gackerl allerdings, um es von der positiven Seite zu sehen, liefern mir ein weiteres, kaum zu überbietendes Argument gegen ein Leben in der Großstadt. Ganz abgesehen davon wird mir nun endlich die etymologische Bedeutung des Wortes „Hundstage" klar.
Am Abend treffe ich mich mit S. auf einen Mai-Tai.
Ich überlege noch wie ich geschickt mein neues Lieblings-Argument vorbringen werde, da beginnt S. schon zu schimpfen: Über die erbarmungslose Hitze, die nicht klimatisierten Öffis, die blöde Hundescheiße und die mangelnden Grünzonen in der Stadt, die zumindest ein bisschen Abkühlung versprechen würden. Und dann der Klimawandel, klagt S. weiter.
"Wenn das so weitergeht mit diesen Wahnsinns-Temperaturen, kannst du für mich gleich auch eine Wohnung in Vorarlberg suchen!"